Offener Brief Forderung nach mehr Qualität bei der Unterbringung von Geflüchteten in Köln


Wohnen als universelles und unveräußerliches Menschenrecht
Sommersemester 2022
Foto: Manfred Antranias Zimmer via Pixabay

Sehr geehrte Ratsmitglieder der Stadt Köln, sehr geehrte Interessierte,

Wohnen ist ein universelles, unveräußerliches Menschenrecht. Dabei geht es jedoch nicht nur um das „Dach über dem Kopf”. Es gibt genauso ein Recht auf Privatsphäre, Sauberkeit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit, was unmittelbar mit der Unterbringung zusammenhängt. Außerdem muss die Möglichkeit auf gesellschaftliche Teilhabe, soziale Inklusion und Integration gesichert werden.

Man könnte davon ausgehen, dass die Stadt Köln seit der letzten Verteilungskrise 2016 etwas dazugelernt hätte und sich besser auf weitere Krisen der Unterbringung einstellt. Dass dies nicht ausreichend passiert ist, wurde im Februar 2022 wieder deutlich. Wir möchten zur Verdeutlichung einmal Bilanz ziehen:

Die Stadt Köln hat zwar 1.500 Plätze für das Eintreten einer solchen Krise bereit gehalten, doch handelte es sich dabei um Plätze in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften (GU), in diesem Fall Leichtbauhallen. In dem Feld tätige Sozialarbeiter*innen berichten in verschiedenen GU von Rattenbefall, unhygienischen Zuständen, fehlender professioneller Unterstützung, maroden Sanitäranlagen und mangelnder Privatsphäre, was die Gefahr von Übergriffen fördert.

Der Stadt Köln ist anzurechnen, dass sie die Anzahl der in Beherbergungsbetrieben (BB) untergebrachten geflüchteten Menschen bis September 2021 auf 263 Menschen reduziert hat. Jedoch sind seitdem aktuell wieder ca. 2.000 Menschen in 25 sonst leerstehenden BB untergebracht worden. Diese Unterbringungsform ist einerseits ein ökonomisches Debakel, da es sich dabei um einen Kostenaufwand von durchschnittlich 31 Euro pro Person und Nacht handelt, an dem sich Hotelleitende eine “Goldene Nase” verdienen. Andererseits ist diese Unterbringungsform auch humanitär eine Katastrophe. Die Geflüchteten haben meist zu wenig Platz, teilen sich sanitäre Anlagen und Küchen und werden in der Praxis oft alleine und ohne soziale Betreuung gelassen. Die Unterbringungen in BB stellen somit ein Integrations- und Inkusionshindernis dar.

Im Februar 2021 hat sich die Stadt Köln das Ziel gesetzt, die Unterbringung in GU und BB binnen vier Jahren aufzulösen und Geflüchtete ausnahmslos und schrittweise in abgeschlossene Wohnformen (AW) zu überführen. Dieses Ziel ist nicht nur wegen der derzeitigen Situation in der Ukraine nicht mehr realistisch umsetzbar.

Der Stadtrat muss anstelle des verworfenen Ziels vom Februar 2021 ein neues Datum festlegen, zu dem die GU und BB als Unterbringungsform aufgelöst werden und eine Unterbringung aller Geflüchteter ausschließlich in AW garantiert wird.

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen der Stadt Köln, an welchem auch der Kölner Flüchtlingsrat vertreten ist, hat die Leitlinien zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Köln von 2004 überarbeitet. Sobald diese veröffentlicht werden, muss die Stadt Köln sie als verpflichtende Standards akzeptieren und die Umsetzung garantieren. Daran anschließend stellen wir weitere Forderungen, welche die Stadt Köln in einen zukünftigen Beschluss übernehmen sollte:

1. Die Aufstellung eines neuen realistisch umsetzbaren Ziels für die langfristige Unterbringung in AW von ausnahmslos allen wohnungslosen Menschen, unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.

a. Für die Unterbringung in AW sind vor allem Systembauten gemeint, aber sie beinhalten auch andere Wohnformen. Dabei müssen die vom Flüchtlingsrat NRW 2019 gesetzten Ziele von neun qm pro Person und 80 Personen pro Systembau eingehalten werden

b. Die Überführung in bezahlbare private Mietwohnungen durch das Auszugsmanagement soll für genügend Fluktuation in den Systembauten und somit genügend freiem Wohnraum für neu ankommende Geflüchtete sorgen.

2. Die Stadt Köln muss das Bauen, Umbauen oder Sanieren von AW, bspw. Systembauten, schnellstmöglich in Auftrag geben.

a. Die Grundstücke müssen entweder an gute bestehende Infrastruktur angebunden sein (ÖPNV, Schulen, Gesundheitsversorgung, Internetanschlüsse etc.) oder diese Infrastruktur muss von der Stadt Köln bereitgestellt werden.

b. Die Baugenehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden.

3. Die Unterbringungen in GU und BB soll nur noch im absoluten Notfall in Betracht gezogen werden.

a. Ein absoluter Notfall ist bei einer Verteilungskrise mit einer dreistelligen Zahl von wöchentlich Neuankömmlingen, wie seit dem Februar 2022 in Köln, gegeben.

b. Die Unterbringung von Geflüchteten in GU und BB darf nicht länger als fünf Werktage andauern, da sie in ihrer jetzigen Form das Menschenrecht auf Wohnen verletzt.

4. Es muss Transparenz bezüglich der Kosten für die Projekte hergestellt werden.

a. Der oder die Normalbürger*in muss Einsicht in die anstehenden Kosten und Neuverschuldungen haben dürfen.

b. Um Neuverschuldungen zu verringern kann die Stadt Köln den Bund, das Land und reichere Kommunen um Entlastungen und Finanzhilfen bitten.

Mit freundlichen Grüßen,

David Jansen, Lea Stams, Lino Rosa Voigtländer

Studierende der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Köln

Luan Engelns, Lilly Kalina

Studierende der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln

Unterstützer*innen:

Kölner Flüchtlingsrat e.V.

Logo des Flüchtlingsrats

Quellen: Flüchtlingsrat NRW e.V. (2019): Kommunale Unterbringungskonzepte. Unsere Forderungen: Verpflichtende Mindeststandards. 16.04.2019. URL: https://www.frnrw.de/themen-a-z/unterbringung-von-fluechtlingen/unterbringung-in-den-kommunen/unsere-forderungen-verpflichtende-mindeststandards.html [Zugriff: 01.06.2022]

Prölß, Claus-Ulrich (2021): Rat der Stadt Köln stimmt für Auflösung der Gemeinschaftsunterkünfte. Pressemitteilung Kölner Flüchtlingsrat e.V. 05.02.2021 URL: https://koelner-fluechtlingsrat.de/downloadpresse/2021/101/2021-02-05PM_Stadtrat_Gemeinschaftsunterkünfte.pdf. [Zugriff: 01.06.2022]

Stadt Köln (2004): Leitlinien zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Köln. Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 20.07.2004. URL: https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf5620/1.pdf [Zugriff: 01.06.2022]

Stadt Köln (2022): Berichte zur Situation Geflüchteter in Köln URL: https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/flucht-einwanderung/gefluechtete-koeln [Zugriff: 01.06.2022]