Essay Unterbringung von Geflüchteten in Hotels: ein sinnvolles Mittel oder nur eine Bereicherung für Hotelleitende?


Wohnen als universelles und unveräußerliches Menschenrecht
Sommersemester 2022

Es dürfte bekannt sein, dass sich manche wenige Personen in Krisenzeiten an der Not anderer bzw. einer gesamten Gesellschaft bereichern. Dies kommt immer wieder vor, wie z.B. angesichts der großen Mengen an Spenden, die von vielen Menschen mit den besten Intentionen kamen, die Ukrainerinnen zu unterstützen. Es mischen sich immer wieder Trickbetrügerinnen ein, die sich an der großen Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft bereichern wollen und unter falschem Namen und geheuchelter Gemeinnützigkeit Spenden einheimsen (vgl. Roach, 2022). Sobald also Notsituationen und dringender Handlungsbedarf entstehen, ist ein System, vor allem wenn es provisorisch und nicht standardisiert funktioniert vulnerabel für seine Ausnutzung.

Die Causa Horitzky

So auch im Juni 2017, als die Ex-CDU Politikerin Andrea Horitzky mit der Stadt Köln einen Vertrag mit einer Laufzeit von sieben Jahren über die ständige Unterbringung von 43 Geflüchteten mit einer 80-prozentigen Auslastung in ihrem Hotel “Restauration zum Bahnhof” in Köln-Dellbrück für mindestens 2,5 Mio. Euro abschloss. Die Umstände dieses Vertrages schienen fragwürdig, da erstens die Zahl der zu unterbringenden geflüchteter Menschen in Köln im Vergleich zum Vorjahr um 2.000 Personen gesunken war (vgl. Hendorf 2018). Zweitens bekam kein anderes der 39 Hotels in Köln, in welchen geflüchtete Menschen untergebracht werden sollten, eine Vertragslaufzeit von sieben Jahren, da diese Unterbringung die kostenaufwendigste ist und somit nur provisorisch und temporär sein sollte (die Stadt Köln gab z.B. im Jahr 2016 über 28 Mio. Euro allein für die Unterbringung geflüchteter Menschen in Beherbergungsbetrieben aus, d.h. Hotels, Jugendherbergen etc.) (Stadt Köln 2017). Drittens war der vertraglich festgehaltene Betrag von 35 Euro pro Nacht und Person der absolute Höchstsatz, da der durchschnittliche Betrag 31 Euro und in manchen Fällen sogar nur 20 ist. Hinzu kam, dass man herausfand, dass es sich anstatt um 43 zur Verfügung gestellten Betten nur um 38 handelte, da fünf Beistellbetten fälschlicherweise angerechnet wurden. (vgl. Hendorf 2018)

Im April 2018 sorgte der Fall für großes mediales und öffentliches Aufsehen. Sofort wurden Vorwürfe der Korruption und der Vetternwirtschaft laut und schnell war die ehemalige CDU-Politikerin einer Welle aus hässlichen Droh- und Schmähbriefen ausgesetzt. Doch als der Kölner Kreisverband und der Vorstand des Dellbrücker Ortsverbandes ihren Rücktritt forderten, lehnte Frau Horitzky diesen ab, da der Vertragsabschluss über die Unterbringung der Geflüchteten in ihrem Hotel “unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden” sei (Moser 2018). Erst als sich die Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kölner Stadtrat einschalteten, sah sie sich gezwungen alle CDU-Ämter abzulegen. Der Vertrag blieb jedoch wegen seiner Rechtsgültigkeit und Unkündbarkeit bestehen. (vgl. Frigelj 2018)

Wie sieht die Zukunft der Hotelunterbringungen aus?

Obwohl die Meinungen über die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Hotels in den verschiedenen politischen Lagern stark auseinander geht, sind sich alle in dem Punkt einig, dass sie in den Großstädten wie Köln verringert werden muss. Die CDU sieht die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Hotels als “unverhältnismäßig” an, was sich primär auf die zu hohen Kosten der Unterbringung konzentriert. Dies geht jedoch mit einer Rhetorik einher, dass die untergebrachten Personen den Luxus eines dauerhaften Hotelaufenthalts nicht verdient hätten. Doch die Realität sieht ganz anders aus: Die Hotels und Beherbungsbetriebe, mit denen die Stadt Köln einen Vertrag abschließt, sind häufig sanierungsbedürftige, marode und vor allem selten ausgelastete Hotels. Genau für die Hotelleitenden, dessen Hotels eine Sanierung und Grundrenovierung bitter nötig hätten, kommen diese normalerweise Zwei- oder Dreijahresverträge sehr gelegen: “Für ein Hotel, das wenig Besucher hat und einen hohen Investitionsstau, das also dringend renovieren müsste, ist es durchaus sinnvoll, so ein Angebot anzunehmen. Den Überschuss kann es später nutzen, um zu sanieren”, so ein Geschäftsführer einer Unternehmensberatung für Hotelleitende. Außerdem kann Personal eingespart werden, da Zimmerbedienstete und Köch*innen nicht mehr gebraucht werden. (vgl. Oberhuber 2016) Während die Kölner FDP-Fraktion 2018 forderte, dass 500 Hotelplätze bis Jahresende abgebaut werden sollten, warnt die Linke, erst einmal für genügend Wohnraum zu sorgen, und zwar nicht in Leichtbauhallen, welche “nur” jährlich 500 bis 2.700 Euro pro untergebrachter Person kosten würden, sondern in gefördertem Wohnungsbau (vgl. Riße 2018). Auch von Seiten des Kölner Flüchtlingsrats kam Kritik an der Unterbringung von geflüchteten Menschen in Hotels, denn sie sei für geflüchtete Familien oft insofern nachteilhaft, als dass sie Platznot haben, oder es aufgrund der geringen Privatsphäre häufiger zu Spannungen integrationsfördernd sein käme (vgl. und die Geisler). Des weiteren würden sie nicht Menschen eher isolieren, auch weil die Hotelunterbringungen nur provisorisch sind und so niemals eine nachhaltige Unterkunft für die Familien darstellen können. (vgl. Riße 2018)

Die Frage stellt sich also berechtigterweise, ob die Unterbringung von Geflüchteten Menschen in Hotels noch Sinn macht, sie den Geflüchteten überhaupt langfristig nützt und ob sie nicht nur ein kostenaufwendige Notlösung ist, an der sich Hotelleitende bereichern können. Köln gibt in NRW von allen Kommunen verhältnismäßig am meisten für die Unterbringung von Geflüchteten in Hotels aus. 2018 gab es 46 Hotels in NRW, die zur Unterbringung geflüchteter Menschen genutzt wurden, von denen 40 in Köln stehen. Während die Stadt Dortmund 7,80 Euro pro Person und Nacht zahlt, sind es in Köln knapp 25 Euro. (vgl. Riße 2018)

Doch die Priorität sollte neben der Kostenverringerung vor allem darauf liegen, die Geflüchteten bestmöglich unterzubringen. Eine einfache Lösung gibt es dafür zwar nicht, aber es geht darum nachhaltige und menschenwürdige Wohnsituationen zu erreichen, sodass die Geflüchteten nicht nur eine gesicherte Unterkunft, sondern auch die Möglichkeit einer gesellschaftliche Partizipation und soziale Inklusion bekommen. Die Hotelunterbringung ist im Augenblick deswegen notwendig, da für die stark angestiegene Zahl wöchentlicher Ankommenden nicht genügend sonstiger Unterbringungsraum existiert. Aufgrund des dringend benötigten Raumes für geflüchteten Ukrainer*innen, wird sogar auf Wohnraum von Privatpersonen zurückgegriffen. Eine mögliche Zukunft könnte jedoch der Umsetzung teilweise schon bestehender Mindeststandards und resilienter Krisenpläne beinhalten, die solche Notsituationen und daraus entstehende Notentscheidungen langfristig verhindern könnten. Wir haben zwar schon einiges aus der Verteilungsnotlage von 2016 gelernt, können aber auf zukünftige Verteilungskrisen, die häufiger und herausfordernder auftreten werden, besser vorbereitet sein.

Quellen

Frigelj, Kristian (2018): Wie eine CDU-Politikerin von der Flüchtlingskrise profitiert. In: Welt. 13.04.2018. URL: welt.de/politik/deutschland/article175440604/Koeln-Wie-Andrea-Horitzky-CDU-von-der-Fluechtlingskrise-profitiert.html. {Zugriff: 13.05.2022}

Geisler, Hendrik (2018): Stadt Köln bezahlt. Hotelbetreiber machen ein Millionengeschäft mit Flüchtlingen. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 06.04.2018. URL: ksta.de/koeln/stadt-koeln-bezahlt-hotelbetreiber-machen-ein-millioneng eschaeft-mit-fluechtlingen-29972844. {Zugriff: 13.05.2022}

Hendorf, Matthias (2018): CDU wusste von Flüchtlingshotel. Dezernent Harald Rau widersprocht Horitzky-Anwalt. In: Kölnische Rundschau. 18.04.2018. URL: rundschau-online.de/region/koeln/cdu-wusste-von-fluechtlings-hotel-de zernent-harald-rau-widerspricht-horitzky-anwalt-30032568. {Zugriff: 13.05.2022}

Moser, Christian-Oliver (2018): Presse-Informationsschreiben. Berlin: 08.05.2018

Oberhuber, Nadine (2016): Asyl im Hotel. In: Zeit Online. 10.02.2016. URL: zeit.de/wirtschaft/2016-02/fluechtlinge-hotel-asyl-finanzierung-unterbringung/. {Zugriff: 13.05.2022}

Riße, Dirk (2018): Ärger um Unterkünfte 46 Flüchtlingshotels gibt es in NRW - 40 davon in Köln. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 19.06.2018. URL: ksta.de/koeln/aerger-um-unterkuenfte-46-fluechtlingshotels-gibt-es-in-nrw—40-davon-in-koeln-30642722. {Zugriff: 13.05.2022}

Roach, Sarah (2022): Airbnb bans scammers trying to cash in on the war in Ukraine. In: protocol. 15.03.2022. URL: protocol.com/bulletins/airbnb-ukraine-housing-scam. {Zugriff: 13.05.2022}

Stadt Köln (2017): Aktuelle Information zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. 13. Bericht an den Ausschuss Soziales und Senioren zur Sitzung am 09.03.2017.