Petitionstext Wir fordern gleichgestellte, reguläre Arbeitsverhältnisse für Menschen mit Behinderung in Behinderten­werkstätten!


Angemessene Bezahlung für Beschäftigte in Behindertenwerkstätten
Sommersemester 2022
Bundesarchiv, Bild 183-Z0301-302 / Weisflog, Rainer / CC-BY-SA 3.0

Petitionstext

In Deutschland arbeiten mehr als 300.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Obwohl in diesen Werkstätten Umsätze von jährlich ca. 8 Mrd. € erwirtschaftet werden, verdienen die Beschäftigten dort nur durchschnittlich 1,35€ pro Stunde bzw. 235€ im Monat. Einen Mindestlohn gibt es in WfbM nicht, da die Arbeit lediglich als eine freiwillige rehabilitative Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und Integration in den Arbeitsmarkt gewertet wird. Da jedoch weniger als 1% der Menschen in WfbM in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, ist die Arbeit in 99% der Fälle11 nicht als rehabilitative Leistung anzusehen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Fall Fenoll bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die Mitarbeiter einer WfbM als reguläre Arbeitnehmer zu werten seien. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass diese Arbeitnehmer im Sinne Art. 31 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2003/88/EG sein, da sie eine echte weisungsgebundene und vergütete Tätigkeit ausführen.

Laut einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen Studie könnte der EuGH auf Grundlage dieses Urteils auch den Großteil der Beschäftigten in deutschen WfbM als Arbeitnehmer*innen einstufen. In der Studie wird ebenfalls angemerkt, dass das EU-Parlament und das European Disability Forum in segregierenden Werkstätten ohne Arbeitnehmer*innenstatus, Arbeitnehmer*innenrechte und Mindestlohnanspruch einen Verstoß gegen Art. 27 UN-BRK sehen.

Unserer Meinung nach ist es offensichtlich, dass Deutschland geltendes EU-Recht  bricht und Inklusion wissentlich erschwert, indem es die Mitarbeiter*innen in WfbM nicht mit gerechten Arbeitsverträgen ausstattet und somit einen regulären Mitarbeiter*innen-Status verhindert. Das von uns geforderte Arbeitsverhältnis kann aktuell durch die WfbM aufgrund von Finanzierungsdefiziten nicht umgesetzt werden. Die Bewilligung zusätzlicher finanzieller Mittel durch die Bundesregierung wären der einfachste Weg dies sicherzustellen.

Wir bekräftigen daher unsere Forderung: Helfen Sie uns, mehr Gerechtigkeit für Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland herzustellen und unterschreiben Sie diese Petition! Auch oder erst recht für in WfbM arbeitende Menschen muss das gleiche gelten, was für alle Menschen in Deutschland gelten sollte: Gleiche Rechte und fairer Lohn für geleistete Arbeit!

Quellen:

1.Bundestag-:Drucksache 18/12466

2.EuGH 26.03.2015, C-316/13-Fenoll.

3.Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. (2021, Oktober). Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S.9.