Petitionen an den Bundestag Das Recht auf Beschwerde
Mit Artikel 17 des Grundgesetzes wird eine wichtige Form von demokratischer Partizipation im deutschen Recht verankert. Dieser sagt aus: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“.
Doch spezifiziert dieser Artikel nicht, in welcher Form dieses Recht umgesetzt wird, hierzu wurde in Art. 45c des Grundgesetzes ein Ausschuss benannt, der sich den Bundestag gerichtete Beschwerden annimmt, der Petitionsausschuss des Bundestages. Der Ausschuss setzt sich aus den in dem Bundestag sitzenden Parteien zusammen und die Anzahl an Abgeordneten einer Fraktion entspricht ihrer Verteilung im Bundestag.
Wie dürfen Bürger*innen sich beschweren
Auch wenn jede*r das Recht hat eine Beschwerde zu äußern, müssen diese Beschwerden einige Richtlinien einhalten, bevor sie von den Mitgliedern des Ausschusses bearbeitet werden. Diese rechtlichen Grundlagen werden mit § 110 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (BTGO) festgelegt. Neben gesonderten Richtlinien für eine öffentliche Bearbeitung des Antrags sind dies vor allem Bestimmungen, wer als Petent*in einen Antrag stellen darf, in welcher Form und an welcher offiziellen Stelle diese eingereicht werden müssen, für welche Themenbereiche der Petitionsausschuss zuständig ist und wie die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht werden.
Erfüllt eine Petition alle Richtlinien des Ausschusses, kommt es zu der Phase, in der entschieden wird, wie viel Relevanz der einzelnen Beschwerde beigemessen wird. Das Mittel, was hier zum Einsatz kommt, ist eines der demokratischen Legitimation, wenn eine Petition innerhalb von 4 Wochen 50.000 gültige Unterschriften sammelt, wird sie in einer gesonderten Sitzung des Ausschusses als Hauptthema bearbeitet, die dann auch öffentlich einsehbar ist. Wenn diese Hürde nicht erreicht wird, ist die Beschwerde nicht nichtig, sondern wird mit anderen weniger relevanten Beiträgen gemeinsam in einer nicht öffentlichen Sitzung behandelt.
Allerdings muss der*m Antragsteller*in vor Abgabe einer solchen Beschwerde sich im Klaren sein, wie viel gesetzgebende Wirkung der Ausschuss haben kann. Selbst bei einer erfolgreichen Petition hat der Ausschuss nur das Recht dem Bundestag eine Empfehlung für den weiteren politischen Prozess zu geben und selbst diese Empfehlung muss nicht dem Entsprechen, was in der zulässigen Forderung als Lösung gefordert wird.
Kritik anhand von Beispielen
Ebenfalls ist es ein Hindernis, dass man als Petent*in keinen Raum hat, auf die Argumentation des Ausschusses einzugehen, so kommt es vor, dass veraltete Informationen vom Ausschuss genutzt werden, um Forderungen abzulehnen, wie es in Petition 83020 geschah. Die Forderung der Petition war es, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) abzuschaffen mit der Begründung, dass sie ihren rehabilitativen Auftrag schlicht nicht erfüllen. So sei ebenfalls aus Sicht der*m Petent*in die Begründung, die ungleiche Behandlung der Beschäftigten in Sachen Arbeitsstatus und der geringe Lohn seien den rehabilitativen Leistungen geschuldet, nichtig und so wurde die Auflösung dieser Einrichtungen gefordert. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben.
Willkür trotz öffentlichem Prozess
Dem Fenoll-Urteil, ein Gerichtsbeschluss des europäischen Gerichtshofs, der einem Beschäftigten einer solchen Werkstatt in Frankreich anerkannte, dass die Arbeit, die er leistet, ihm ein Arbeitnehmerverhältnis zuspricht, wird in der Begründung des Ausschusses völlig missachtet. Ebenfalls wird in der Begründung der Petition erwähnt, das die United Nations-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bereits die Wfbm als hinderlich für die Inklusion eingestuft haben, sie so direkt gegen den Art. 27 des Abkommens verstoßen und die UN forderte das die Werkstätte geschloßen werden müssen. So missachtet deutsche Bürokratie wichtige transtlantische/ europäische Abkommen, denen sie sich verpflichtet haben. Darauf wird nicht weiter eingegangen und allgemein ist die Begründung die der Ablehnung hervorgeht nicht logisch nachvollziehbar. So schafft es die Begründung Zahlen von 2017, deren Aussage es ist, dass gerade einmal 0,02 % der Beschäftigten aus dem WfbM in den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben ohne weiteres vom Tisch zu wischen und weiterhin zu behaupten die Werkstätte erfüllen ihren Reahbilitationsauftrag. Es werden außerdem keine weiteren Quellen benannt, die die Übergangsquote auf den ersten Arbeitsmarkt von 2017 anfechten.
Dieser Fall ist nicht das einzige Beispiel bei dem die Entscheidungen und Begründungen des Ausschusses nicht nachvollziehbar für Außenstehende sind, selbst wenn die Kriterien erfüllt, die Sitzung öffentlich und die Zeit da ist, das Thema ausgiebig zu behandeln.
Ein weiteres Beispiel ist Petition 76837, deren Hauptanliegen es war zu fordern, dass Beschäftigte in WfbM einen Anspruch auf Mindestlohn haben. Da es schon weitere Petitionen zu diesem Thema gab, entschied sich der Ausschluss sie alle stellvertretend durch die eben genannte Petition zu behandeln. Mit dem Problem, dass viele einzelne Forderungen ignoriert werden, da sie zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden und die Abhandlung mit Petition 76837 laut Ausschuss ausreicht. Diese Begründung mag zutreffen, doch ohne Einsicht welche Themen ignoriert wurden und mit welcher Begründung .Ist es für Bürger*innen oder dem*r Petent*in nicht nachvollziehbar, ob diese Entscheidung vertretbar ist.
Fazit zum Ausschuss
Dass jede Person in einem demokratischen Staat das Recht hat, ihre Beschwerden an einer offiziellen Stelle der Volksvertretung abgeben zu können und angehört zu werden, so wie in Art. 17 GG beschrieben, hört sich nach dem ultimativen demokratischen Versprechen an. Die Bürger*innen müssen nicht mehr nur hoffen, dass sich eine der regierenden Parteien für ihre spezifischen Bedürfnisse einsetzt, sie haben die Möglichkeit zumindest Teil der Gesetzgebung zu sein, auch wenn ihre Meinung nicht von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung unterstützt wird. Ob diese Forderungen nun umgesetzt werden, ist gar nicht das Hauptversprechen eines solchen Rechts, viel mehr die Möglichkeit einen Adressaten zu haben, der sich den einzelnen Problemen annehmen und eine Argumentation offenlegen muss, wie die Entscheidung letztendlich zustande kam.
Doch wenn man sich mit den Entscheidungen in ihrer Umsetzung beschäftigt, merkt man schnell, wie gering der Einfluss der Petitionen ist und dass die Antragsteller*innen nach Abgabe der Beschwerde keinen Einfluss auf den Prozess haben können. Die Bürokratie, die diese Entscheidungen trifft, setzt sich weiter aus den politischen Gewinnern von heute zusammen und dies begrenzt den Bereich des Möglichen immens.
correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2018/11/22/faktencheck-so-arbeitet-der-petitionsausschuss-des-deutschen-bundestages/ (Letzter Zugriff 18.06.2022)
bundestag.de/ausschuesse/a02_Petitionsausschuss/petitionsrecht_im_grundgesetz867802 (Letzter Zugriff 18.06.2022)
bundestag.de/ausschuesse/a02_Petitionsausschuss/verfahrensgrundsaetze-867806 (Letzter Zugriff 18.06.2022)