Kinder mit beeinträchtigten Eltern Begleitete Elternschaft statt Familienaufspaltung


Elternschaft mit geistiger Behinderung
Sommersemester 2023
Bild von WOKANDAPIX auf Pixabay

Was beinhaltet eine begleitete Elternschaft?

Begleitete Elternschaft ermöglicht Menschen mit geistigen Einschränkungen oder einer Lernbehinderung eine Familie zu gründen und selbstbestimmt zusammen mit ihrem/n Kind/Kindern zu leben. Wo und wie sie leben wollen, entscheiden die Eltern selbst. Das kann stationär in Wohneinrichtungen genauso wie ambulant in der eigenen Wohnung sein.

In der begleiteten Elternschaft werden die Bedürfnisse der Eltern wie die der Kinder ernstgenommen. Durch Vernetzung, Information und Unterstützung sollen Barrieren abgebaut, Familienleben ermöglicht werden.

In Nordrhein-Westfalen wurde 2018 vom Verein „MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.“ dazu ein Modellprojekt gestartet. Seitdem ist es Betroffenen wie Fachkräften möglich, sich barrierefrei über Möglichkeiten der begleiteten Elternschaft zu informieren und selbst tätig zu werden. Ein wichtiges Portal dafür ist die Internetseite Begleitete-Elternschaft-NRW.de.

Was heißt Begleitung konkret?

Die Begleitung beginnt, wenn sich Menschen für ein Kind entscheiden, geht weiter über Geburtsvorbereitungen, Begleitung bei der Geburt bis weit ins Jugendalter.

Gerade in den ersten Lebensjahren geht es vor allem darum, Eltern dabei zu unterstützen, Verständnis und Routine dafür zu entwickeln, welche Grundbedürfnisse ein Kind in den ersten Jahren hat.

Dabei sind kontinuierliche und langfristig angelegte Hilfen wichtig, die sowohl dem Bedarf als auch den Ressourcen der Familien entsprechen. Diese Hilfen müssen im zeitlichen Umfang, Intensität und inhaltlichen Schwerpunkten immer flexibel auf die jeweilige Familie angepasst sein. Damit wird es den Familien ermöglicht, sich aktiv einzubringen und die Begleitung als wirksam und hilfreich zu erleben und nicht als Direktive von oben.

Das Gelingen einer solchen Unterstützung ist maßgeblich von der Beziehung zwischen Fachkräften und einzelnen Familienmitgliedern abhängig.

Das Prinzip: Vernetzte Unterstützung statt Bevormundung

Begleitete Elternschaft ist immer Netzwerkarbeit. Die »verzahnten Hilfen« aus Eingliederungs- und Familienhilfe setzen eine enge Abstimmung voraus, damit sie sinnvoll wirken können. Wichtig dabei ist, die Familien selbst als ein schon vorhandenes Netzwerk zu sehen. Ihre Eingebundenheit in lebensweltliche und professionelle Bezüge können als zusätzliche Ressource genutzt werden.

Voraussetzung für eine effektive und Betroffenenausgerichtete begleitete Elternschaft sind z.B.:

  • umfassende Helfernetze, die z.B. aus ABW, Hilfen zur Erziehung, gesetzlichen Betreuer*innen, Hebammen, Mutter-Kind-Gruppen u. ä. bestehen
  • eine gute Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen zuständigen Mitarbeiter*innen
  • Betroffene sollten die unterschiedlichen Settings kennenlernen können
  • Hilfen sollten bereits während der Schwangerschaft angesetzt werden
  • Mitarbeitende in den Bereichen Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe sollten Fachkenntnisse in der Thematik haben
  • eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten mit dem Jugendamt ist notwendig
  • es darf kein zeitlicher Druck ausgeübt werden
  • es braucht eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung
  • beide Eltern sollen beteiligt werden

Stand heute

Leider gibt es immer noch zu wenig Angebote und Fachkräfte. Oft scheitert die Implementierung einer erfolgreich begleitenden Elternschaft an der Zusammenarbeit und Vernetzung der beteiligten Ämter und Institutionen.

Bundes- wie Landespolitik sollten sich stärker für die Umsetzung und Evaluation Begleiteter Elternschaft einsetzen.

Wie zukunftsweisend und erfolgsversprechend fachgerechte Modellprojekte wie das von MOBILE sein können, zeigt deren Nominierung im Februar 2023. Es wurde als eins von fünf internationalen Best-Practice-Beispielen bei der Zero-Project Konferenz in Wien vorgestellt.