Einblicke aus Deutschland und Europa Sinti*zze und Rom*nja: Ein Abriss ihrer Geschichte


Struktureller Rassismus gegenüber Rom*nja
Sommersemester 2023

Wer sind Sintizze und Romnja?

Die Begriffe sind eine kollektive Sammelbezeichnung einer nationalen Minderheit. Die Selbstbezeichnung „Rom*nja“ wird offiziell seit dem ersten internationalen Romani Kongress 1971 genutzt. Rom*nja kommen ursprünglich aus Indien. Seit dem 8. bis 10. Jahrhundert wanderten sie nach Europa und Amerika aus. Mit 6 Millionen Menschen sind sie die größte ethnische Minderheit Europas. Die Selbstbezeichnung „Sinti*zze“ meint eine seit 600 Jahren vor allem in Deutschland lebende Untergruppe der Rom*nja. Heutzutage leben in Deutschland ca. 120.000 Sinti*zze und Rom*nja. Davon haben etwa 70.000 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Vorurteil ein Wandervolk zu sein

Durch Kriege, wirtschaftliche Not und systematische Verfolgung sahen sich Rom*nja jahrhundertelang dazu gezwungen auszuwandern bzw. auf Wanderung zu bleiben. Auch im 19. Jahrhundert wurde ihnen in Deutschland kaum Wohnraum verkauft oder vermietet. Oftmals wurde ihnen ein fester Job verwehrt. Heutzutage haben 95 bis 98 % aller Rom*nja weltweit einen festen Wohnsitz.

Die Formen der Diskriminierung

Antiziganismus beschreibt eine Form von Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja. Der Begriff selbst ist umstritten, da er das abwertende Z-Wort enthält. Besser ist Antiromaismus oder Antisintiismus, da diese Begriffe neutral sind. Zudem gibt es die Bezeichnung „Gadjé-Rassismus“. Gadjé bedeutet Nicht-Rom*nja und bezeichnet die von der Rassismus ausgehenden Gruppe und nicht die Betroffenen. Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja äußert sich durch Stigmatisierung und Diskriminierung. Dazu gehören Feindseligkeit, Abwertung, Benachteiligung und Vorurteile. Noch heute denken viele Deutsche, dass die Vorurteile der Wahrheit entsprechen. Dem ist nicht so! Sinti*zze und Rom*nja sind einer sogenannten kumulativen Diskriminierung ausgesetzt. Das ist „eine sich gegenseitig verstärkende Diskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen, die sich über Generationen hinweg verfestigt haben kann.“ (Positionspapier des Zentralrat Sinti und Roma vom 03.07.2017).

Diskriminierung in Ost- und Westeuropa

Die Vorurteile und Diskriminierung gegen Rom*nja gibt es seit der ersten Einwanderung in ganz Europa. Sie äußern sich in West- und Osteuropa unterschiedlich. In Osteuropa gibt es offene Aufrufe gegen Rom*nja. Politiker*innen reproduzieren Stereotype. Rechtspopulistische Gruppen sowie Parteien betreiben rassistische Hetze. Häufig kommt es für Rom*nja zu lebensbedrohlichen Situationen in Osteuropa. Auch in Deutschland kommt es zu Diskriminierung. Die Zugänge zu Bildung und Gesundheitsversorgung sind schlecht. Dies erschwert die Integration auf dem Arbeitsmarkt. Seit 1995 haben Rom*nja in Deutschland den Status einer „nationalen Minderheit“. Damit gehen besondere juristische Schutzrechte sowie eine besondere Förderung der Sprache und Kultur einher. Dennoch bleiben die Lebensbedingungen schlecht. Es kommt weiterhin in Deutschland und ganz Europa zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen.

Eine Heimat in Deutschland

Seit 2007 migrieren viele Rom*nja für mehr Sicherheit und bessere, menschlichere Lebensbedingungen aus Bulgarien und Rumänien, aber auch angrenzenden Westbalkanstaaten, die keine EU-Mitglieder sind, in die EU. Dies hat mit der 2009 eingeführten Visa-Freiheit zu tun. Auch in Deutschland werden dahingehend Asylanträge gestellt. Viele Anträge werden unter anderem durch das 2015 eingeführte Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz abgelehnt. Häufig werden Rom*nja in die Westbalkanländer abgeschoben, obwohl die Wurzeln der Betroffenen teilweise seit Generationen in Deutschland sind. Die Westbalkanländer (Albanien, Bosnien & Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Mazedonien und Serbien) sind als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft. Das Gesetz definiert solche Länder als sichere Herkunftsstaaten, in denen keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist, Regeln zum Schutz existieren und angewendet werden. Die Lebensbedingungen von Rom*nja müssen in ganz Europa verbessert werden. Die Alltäglichkeit und die Selbstverständlichkeit mit der Antiromaismus, Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen im westlichen Balkan und Osteuropa betrieben werden, haben ein unvorstellbares Ausmaß. Rom*nja sind in den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten einer systematischen Diskriminierung ausgesetzt. Die deutsche Politik sollte Sintizze und Romnja nicht mehr in diese Länder abschieben, sondern das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten kritisch überprüfen. Des Weiteren sollte auch im eigenen Land verstärkt gegen Antiromaismus vorgegangen sowie die Lebensbedingungen und Zugänge deutlich verbessert werden.